Bleibt das Internet gratis?
Nun, wirklich gratis war das Internet nie. There ain’t no such thing as a free lunch, wie die Ökonomen zu sagen pflegen. In einer Wirtschaft, in der die Akteure Geld verdienen wollen, gibt es keine Leistung ohne Gegenleistung. Das gilt für das Internet genauso wie für die Gastronomie. Oder wie der Webunternehmer Dave McClure unmissverständlich schreibt: «The Internet does not want to be free… It wants to get paid on Fucking Friday, just like everybody else on the damn planet.»
Wenn wir eine Suchmaschine nutzen, ein soziales Netzwerk, eine Nachrichtenwebsite, dann kostet uns das – in den allermeisten Fällen – nichts. Zumindest kein Geld. Aufmerksamkeit ist die Währung, mit der wir bezahlen. Persönliche Daten der Pfand, den wir hinterlegen. Der Betreiber der Website kann unsere Aufmerksamkeit bei Werbekunden gegen Geld eintauschen. Das Problem dabei: Der Wechselkurs ist schlecht. Und vom ohnehin schon zu kleinen Online-Werbekuchen frisst Google das meiste weg. Kurz: Zu wenig Geld kommt rein. Vor allem in Medienhäusern wird darum in letzter Zeit eifrig darüber nachgedacht, den Besuchern ihrer Websites direkt Geld abzuknöpfen. Für eine Zeitung oder ein Magazin legen interessierte Leser ja auch Bares auf den Tisch – warum, so die Überlegung, sollte das im Internet anders sein?
Nun ja, weil das Internet anders ist. Es ist nicht, wie gerne argumentiert wird, eine Erbsünde in der Entwicklung des Internets, dass man nicht von Anfang an Geld für Inhalte verlangt hat. Es ist die logische Konsequenz aus den wirtschaftlichen Bedingungen des Internets. Der Preis eines Guts fällt in einem kompetitiven Markt auf die Grenzkosten, also die Kosten für die Herstellung einer zusätzlichen Einheit des Guts. Chris Anderson bringt es in seinem Buch «Free – The Future of a Radical Price» auf den Punkt: «[Das Internet] ist der kompetitivste Markt, den die Welt je gesehen hat, einer, in dem die Grenzkosten von Produkten und Diensten praktisch null sind. Wenn also der Preis auf die Grenzkosten fällt, dann ist ‹gratis› nicht nur eine Möglichkeit, sondern ein unvermeidbarer Endpunkt.» Für den Konsumenten bedeutet das: Das Internet bleibt weitgehend gratis. Geld verlangen können nur Dienste, die konkurrenzlos gut und unverzichtbar sind. Anwendungen, die unser Leben schöner machen, mit denen wir Zeit und Geld sparen. Ein Musikdienst etwa, der einfach zu bedienen ist und uns unbeschränkt Zugriff auf Millionen von Songs erlaubt. Eine mobile Applikation, die unsere Kommunikation schön bündelt. Ein fesselndes Videospiel für unterwegs. Oder ein digitales Magazin, die der kostenlosen Nachrichtenwebsite um ein Vielfaches überlegen ist. Dafür bezahlt der Kunde gerne etwas.
Sie lesen einen Auszug aus dem Buch «Kurzbefehl. Der Kompass für das digitale Leben.» von David Bauer. Sie können das Buch jetzt bestellen, weiterstöbern, diesen Text kommentieren oder selber eine Frage zum digitalen Leben stellen. Ah ja, und via Facebook weiterempfehlen dürfen Sie es auch gerne.
Für die Anbieter ist dies eine unbequeme Wahrheit. Die meisten von ihnen sind nämlich nicht konkurrenzlos gut. Vor allem, weil viele Kunden bereit sind, etwas schlechtere Qualität in Kauf zu nehmen, wenn das Produkt dafür gratis ist. Das Technologiemagazin Wired hat diese Entwicklung treffend mit «the good-enough revolution» umschrieben. Die Anbieter werden sich die Köpfe zerbrechen müssen, wollen sie überleben. Sie werden scheitern, wenn sie Geld verlangen für ein Angebot, das es anderswo gratis gibt. Der Konkurrenzdruck ist so gross, dass am Horizont immer das Preisschild «gratis» winkt. Wer heute konkurrenzlos gut ist, hat morgen vielleicht schon einen attraktiven, kostenlosen Nebenbuhler.
Für den Konsumenten ist es grossartig. Alles ist entweder rasend gut oder kostenlos. Oder sogar beides zusammen, weil der Anbieter ein Modell gefunden hat, das ihm erlaubt die grosse Masse gratis zu bedienen und trotzdem Geld zu verdienen. Beispielsweise mit einem Freemium-Modell, der Kombination von free und premium, bei der nur bestimmte Dienstleistungen und Funktionen kosten und das Grundangebot gratis bleibt.
Ändern wird sich die Art und Weise, wie wir im Internet bezahlen. Viele Transaktionen scheitern heute nicht deshalb, weil das Produkt etwas kostet, sondern weil die Bezahlung zu mühsam ist. Aus dem spontanen Kaufinteresse wird dann ein Kauf, wenn mit einem Klick alles abgewickelt ist. An den Orten, wo viele Leute regelmässig einkaufen, bei Amazon etwa oder bei iTunes, hat sich das Prinzip längst durchgesetzt. Sobald sich dieses Modell im ganzen Netz ausbreitet, wird sich zeigen, dass die Zahlungsbereitschaft der Nutzer deutlich höher ist, als man bislang angenommen hat. Immer vorausgesetzt, das Produkt ist wirklich gut. Diese 1-Klick-Kassen werden jene Dienste anbieten, die bereits heute über eine riesige Nutzerbasis verfügen. Google, Facebook, Apple, vielleicht auch Mozilla über den Firefox-Browser oder klassische Kreditkartenunternehmen. Der Kunde lädt sein Nutzerkonto bei einem der Dienste auf und kann auf jeder Website mit einem Klick bezahlen.
Kurzum: Das Bezahlen wird bequemer, wir Konsumenten werden aber auf nichts verzichten müssen, was bisher kostenlos war. Wenn wir in Zukunft im Internet mehr Geld ausgeben, dann nur deshalb, weil uns mehr geboten wird, wofür es sich lohnt, zu bezahlen.
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