Vorwort

Die einen heulen rum, andere sind blind vor Liebe, alle sind wir überfordert: Willkommen im digitalen Leben.

Die einen heulen rum, andere sind blind vor Liebe, alle sind wir überfordert: Willkommen im digitalen Leben. Das Problem in 140 Zeichen: Wir entwickeln viel schneller neue Dinge, als wir mit ihnen umgehen können – als Benutzer, vor allem aber als Menschen und als Gesellschaft.

Wir sind immer online, immer erreichbar. Und immer ratloser, was wir mit all den Fragezeichen machen sollen, die das Digitale in unser Leben gestellt hat. Darf ich Wikipedia glauben? Darf ich mein Date vorher googeln? Wie kommuniziere ich effizient? Welche Umgangsformen sind im Internet angebracht? Muss ich immer erreichbar sein? Macht das Internet die Welt demokratischer? Oder nur meine Karriere kaputt? Wie informiere ich mich am besten über die Welt? Was weiss Facebook über uns? Ist Google böse? Sind Killerspiele tödlich? Was ist an diesem iPhone so toll? Und wozu nochmal soll Twitter gut sein?

Grosse Erfindungen haben die Menschen schon früher überfordert. Die kulturelle und gesellschaftliche Anpassung an neue Technik hat immer erst mit Verzögerung stattgefunden. Das war bei der Erfindung des Buchdrucks so, bei der Dampfmaschine, beim Telefon. Was heute anders ist: Neue Technik, die tief in unser Leben eingreift, wird in einem nie dagewesenen Tempo entwickelt. Wir sind nicht mehr nur stets im Rückstand, unser Rückstand vergrössert sich auch laufend.

Vor zehn Jahren noch war Google eine kleine, unbedeutende Suchmaschine. Es gab kein Facebook, kein YouTube, kein Wikipedia. Keinen iPod, keine Smartphones, Laptops waren schwer wie Ziegelsteine, Digitalkameras eine teure Investition.Das Internet war eine zwielichtige Sphäre, in der man hin und wieder Dinge nachgesehen hat, die dann doch falsch waren. Nichts, das unser Leben prägt, schon gar nicht etwas, in dem ein Teil unseres Lebens stattfindet.

Heute ist das Internet mitten in unserem Leben, unser Leben mitten im Internet. Es ist menschlich, aber doch so verkehrt, mit dieser Entwicklung nun zu hadern, trotzig stehenzubleiben und wehmütig zurückzublicken. Das digitale Leben ist unsere Gegenwart und unsere Zukunft. Es nicht zu verstehen, können wir uns nicht leisten.

Wir haben uns daran gewöhnt, dass Google und Wikipedia auf alle kleinen Fragen des Lebens eine Antwort parat haben. Die grossen Fragen jedoch, die Google und Co. selber aufwerfen, bleiben unbeantwortet. Wie verändert die Digitalisierung unser Denken? Verbindet uns Technologie oder trennt sie uns? Schafft sich der Mensch selber ab? Sie aber sind es, auf die wir Antworten brauchen, wenn wir uns im Jetzt zurechtfinden wollen. Sie sind es, denen wir uns stellen müssen, wenn wir nicht einfach gedankenverloren in die Zukunft taumeln, sondern aktiv mitgestalten wollen, wie unser Leben von morgen aussieht. Es geht nicht nur darum, dass wir besser lernen, im digitalen Leben zurechtzukommen. Letztlich geht es um die Frage: Was macht die technologische Entwicklung mit uns Menschen? Und wie gestalten wir sie, damit sie uns nützt, nicht schadet?

Kurzbefehl von David BauerSie lesen einen Auszug aus dem Buch «Kurzbefehl. Der Kompass für das digitale Leben.» von David Bauer. Sie können das Buch jetzt bestellen, weiterstöbern, diesen Text kommentieren oder selber eine Frage zum digitalen Leben stellen. Ah ja, und via Facebook weiterempfehlen dürfen Sie es auch gerne.

Was kann dieses Buch zur Beantwortung dieser Fragen beitragen? Was kann ein Buch überhaupt noch leisten in diesen digitalen Zeiten? Das Buch ist das Medium der Langsamkeit schlechthin. Der Gegenstand dieses Buches, die digitale Welt, ist das genaue Gegenteil. In einem irrsinnigen Tempo verändert sie sich, ständig kommt Neues dazu, was gestern galt, ist morgen alt. Buch und digitale Welt, das passt zusammen. Weil die Antwort auf Tempo nicht noch mehr Tempo sein kann. Sondern Entschleunigung lauten muss. Das eine oder andere Detail wird zwangsweise schneller veralten oder zur unfreiwilligen Pointe verkommen, als wenn in diesem Buch die Entwicklung des Buchdrucks nachgezeichnet würde. Auch kann dieses Buch in Sachen Aktualität nicht mithalten mit all den klugen Artikeln und Tweets, die jeden Tag über das digitale Leben geschrieben werden. Doch je aktueller etwas ist, desto schneller veraltet es. Das Buch ist eine ganz bewusste Kapitulation vor der Geschwindigkeit der technischen Entwicklung.

Wenn wir ein Rennpferd beobachten und analysieren wollen, rennen wir ihm auch nicht hinterher. Wir setzen uns auf die Tribüne und beobachten aus der Ferne. So sehen wir das Pferd und seine Bewegungen als Ganzes. Sehen, was um es herum geschieht. Wenn wir ein Detail genauer betrachten wollen, können wir jederzeit heranzoomen. Genauso lässt sich die aktuelle, rasend schnelle Entwicklung nicht erfassen und verstehen, wenn man ihr nachhetzt. Die atemraubende Geschwindigkeit ist genau der Grund, weshalb uns das Gefühl der Überforderung beschleicht. Dieses wird nur stärker, wenn wir verzweifelt versuchen, nicht abgehängt zu werden. Gefragt ist Gelassenheit, damit wir das digitale Leben in seinen grundlegenden Strukturen verstehen, uns orientieren und die Entwicklung dann behutsam mitgehen können.

Damit wir leichter vorankommen, kennt jeder Computer Kurzbefehle; Tastenkombinationen, mit denen sich Funktionen mit einem Griff ausführen lassen. Dieses Buch ist Ihr Kurzbefehl. Mit dem Sie zu allen wichtigen Themen rund um das digitale Leben eine Orientierungshilfe und einen ersten Anstoss zum Nachdenken aufrufen können. Ein Ratgeber oder gar eine exakte Anleitung zum digitalen Leben kann und will dieses Buch nicht sein. Wer im digitalen Leben leichte Antworten sucht, unterschätzt seine Komplexität. Dieses Buch soll Ihnen als Kompass ungefähr die Richtung weisen. Damit Sie für sich herausfinden können, wo Sie stehen und welchen Weg Sie einschlagen wollen. (Fragen, die das Buch nicht beantwortet, dürfen Sie gerne auf www.kurzbefehl.ch stellen.)

Denn die Entwicklung, sie geht unaufhaltsam weiter. Nichts könnte das Verschmelzen von Technologie mit unserem Leben besser verdeutlichen als die Technologie der Stunde, augmented reality. Die erweiterte Realität ist die konsequente Überlagerungunseres Lebens mit dem Internet. Spezielle Programme könnenüber die Handykamera die Umgebung wahrnehmen. Wenn ich beispielsweise vor der Notre-Dame in Paris stehe und mein Handydarauf richte, erscheinen auf dem Handyschirm neben der Kirche Informationen dazu aus Wikipedia. Orte, Objekte und Menschen in unserer Nähe können mit augmented reality in Echtzeit mit Informationen aus dem Netz angereichert werden. Heute kommen diese Informationen über den Handyschirmzu uns, morgen über eine Brille, übermorgen vielleicht direkt über unsere Augen. «Science-Fiction bleibt nicht lange Fiktion. Schon gar nicht im Internet», sagte einst Vinton Cerf, ein amerikanischer Informatiker, der als einer der Väter des Internets gilt. Sehen wir zu, dass wir vorbereitet sind.

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