Was weiss Facebook über uns?
Viel. Sehr viel. Mehr als die meisten Menschen in unserem Umfeld über uns wissen. Was Facebook über uns weiss, ist letztlich aber unerheblich. Entscheidend ist, was es mit dem Wissen anstellt und mit wem es dieses teilt. Gehen wir der Reihe nach.
Facebook weiss auf zwei Ebenen Bescheid über uns. Es verfügt über Wissen über einzelne Personen und über Verbindungen zwischen Personen. Zusammen ergibt dies ein dicht gewobenes Netz an Informationen, bei dem sowohl die Knotenpunkte (die einzelnen Menschen) wie auch die Stränge dazwischen (ihre Verbindungen) vor Datenmaterial nur so strotzen. Der gerne als Datenkrake verschriene Suchmaschinenriese Google würde sich glücklich schätzen, wenn er so viel über uns Menschen wüsste wie Facebook.
Selbst wer sich bei Facebook nie angemeldet hat, ist im Netzwerk erfasst. Facebook nutzt die Bequemlichkeit und die Sorglosigkeit seiner Mitglieder aus, um Daten über Nicht-Mitglieder zu sammeln. Facebook animiert seine Nutzer dazu, ihr persönliches Adressbuch bei Facebook hochzuladen, um so leichter Bekannte zu finden, die ebenfalls beim Netzwerk angemeldet sind. Bei diesem Vorgang werden von allen Kontakten im Adressbuch Daten bei Facebook gespeichert – Name, Telefonnummer, E-Mail-Adresse. Damit sind sie als Datenpunkt im Facebook-Universum erfasst. Wer so von fünf verschiedenen Bekannten Facebook ausgeliefert wird, ist innerhalb des Netzwerks sozial bereits ziemlich genau verortet. Das zeigt sich spätestens dann, wenn sich ein Nicht-Nutzer doch entschliesst, Facebook beizutreten und dieses ihm bereits treffsicher Freunde und Bekannte anzeigt.
Die meisten von uns statten Facebook bereitwillig selber mit Informationen aus. Wir schreiben in unser Profil, wo wir wohnen, wann wir Geburtstag haben, wo wir studiert haben, welche Musik und welche Bücher wir mögen und mitunter vieles mehr. Wir laden Fotos von uns hoch, schreiben in Statusmeldungen, was wir gerade tun und was uns gerade bewegt. Facebook kennt unseren Namen, kennt unsere Freunde, weiss, wie wir aussehen, und merkt sich alles, was wir je auf Facebook von uns preisgegeben haben. Selbstredend merkt sich Facebook auch, wie oft, wie lange und zu welcher Tages- oder Nachtzeit wir uns einloggen. Kurzum: Facebook weiss, wer wir sind. Und damit nicht genug. Facebook kennt unser soziales Umfeld und unsere Rolle darin. Es weiss, mit wem wir besonders viele Freunde gemein haben, es weiss, mit wem wir durch die Arbeit, durch Familienbande oder den gleichen Musikgeschmack verbunden sind. Es weiss, mit wem wir in die Ferien fahren, weil wir auf den gleichen Fotos markiert sind. Und es registriert, mit wem wir wie oft auf Facebook interagieren. Auch damit nicht genug. Weil Facebook inzwischen im ganzen Netz präsent ist (indem man Inhalte liken oder sich mit dem eigenen Profil auf anderen Websites einloggen kann), weiss Facebook auch, wo wir uns im Netz bewegen und wofür wir uns interessieren.
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Das sind ganz schön viele, ganz schön persönliche Informationen. Genau deshalb sind sie so wertvoll. Sie machen Facebook bei Werbekunden sehr attraktiv. Wenn Coldplay in Bern ein Konzert spielen, kann der Veranstalter bei all jenen Facebook-Nutzern einen Hinweis einblenden lassen, die in der Schweiz wohnen und im Profil angeben, dass die Coldplay mögen. Ein Pizzakurier kann gezielt Single-Männer zwischen 18 und 29 in seiner Stadt bewerben. Und wenn eine Versicherung ein Spezialangebot für Studentinnen unter 25 bewerben will, erreicht sie bei Facebook genau jene und niemanden sonst. Zielgruppen lassen sich beliebig präzise einengen – der Traum jedes Werbeplaners.
Facebook nutzt sein Wissen auch für sich selber. Es kann seinen Nutzern basierend auf deren sozialem Netz Mitglieder vorschlagen, die sie kennen könnten, oder den Newsfeed verstärkt mit Neuigkeiten von Personen bestücken, mit denen sie besonders oft interagieren. Es ist eine Stärke von Facebook, dass es sein Angebot auf jeden einzelnen Nutzer personalisieren kann – selbst wenn dieser Facebook den Rücken kehren will. Wenn ich meinen Account deaktivieren möchte, sagt mir Facebook, dass meine Freunde mich vermissen werden. Es wählt dazu vier Freunde aus meinem Netzwerk aus, die mir besonders nahe stehen, und zeigt mir, sofern vorhanden, jeweils ein Bild, auf dem wir beide zusammen zu sehen sind. Willst du wirklich deine Freunde im Stich lassen und dich in die soziale Isolation begeben?, so der Subtext.
Abgesehen davon, dass Facebook Daten von Nicht-Nutzern sammelt und speichert, geht das alles in Ordnung. Facebook ist nicht die Heilsarmee, sondern ein gewinnorientiertes Unternehmen, das sein Angebot nur deshalb kostenlos zur Verfügung stellt, weil es im Gegenzug Daten über seine Nutzer gewinnen und zu seinen Gunsten nutzen kann. Das ist der Deal, den wir eingehen.
Die kritische Frage lautet: Mit wem teilt Facebook sein Wissen? Facebook hat ein klares Interesse, möglichst viele Informationen über seine Nutzer mit Dritten und der Öffentlichkeit zu teilen. Für Partner, die so selber an wertvolle Daten kommen, ist Facebook so attraktiver; wenn Suchmaschinen Informationen aus Facebook finden können, werden noch mehr Leute auf die Seite gespült. Laut Facebook-CEO Mark Zuckerberg gilt aber das eiserne Prinzip: «Wir teilen deine persönlichen Informationen mit niemandem ohne deine Zustimmung.» In Tat und Wahrheit bedeutet «Zustimmung» indes Verzicht auf Widerruf. Die Privatsphäre-Einstellungen sind so festgelegt, dass ein Grossteil der Informationen, darunter persönliche Statusmeldungen und Fotos, öffentlich zugänglich sind. Im Dezember 2009 hat Facebook diesen neuen Standard allen Mitgliedern aufgezwungen, wer nicht einverstanden war, musste die Zustimmung widerrufen. Zuckerbergs Prinzip ist so ehrlich, wie wenn man jemanden splitternackt auf den Marktplatz stellt, ihm seine Kleider daneben legt und behauptet, er sei frei zu entscheiden, wie sehr er sich entblössen möchte.
Wir Nutzer müssen Facebook aktiv verbieten, sein Wissen über uns zu teilen. Mehr noch: Wir müssen Facebook sogar verbieten, dass unsere Freunde in unserem Namen einer Datenweitergabe zustimmen dürfen. Standardmässig gilt nämlich, dass sämtliche persönlichen Daten (mit Ausnahme von politischen und religiösen Ansichten) an einen Drittanbieter weitergeben werden, wenn auch nur einer unserer Freunde ein Programm wie Farmville nutzt oder eines dieser nervigen Quizzes ausfüllt. Selbst wenn man diesen Fremdzugriff unterbindet, werden Name, Profilfoto und Geschlecht ohne eigenes Zutun weitergegeben. Diese Informationen macht Facebook immer öffentlich zugänglich.
So bereitwillig Facebook persönliche Informationen mit Dritten teilt, mit jemandem teilt Facebook seine Daten nicht so gerne: mit uns Nutzern. Chatprotokolle speichert die Seite beispielsweise drei Monate lang, wenn ich aber wissen möchte, worüber ich vor drei Tagen mit jemandem gechattet habe, lässt mich Facebook im Stich. Ebenfalls wenig kooperativ zeigt sich Facebook, wenn man das Netzwerk verlassen möchte. Ich kann alles, was ich jemals auf Facebook veröffentlicht habe, löschen, aber nicht mitnehmen. Der Ehevertrag mit Facebook ist knüppelhart: Wenn du gehst, bleibt dein ganzer Besitz hier.
Für gewöhnlich vertrauen wir Persönliches nur jenen an, denen wir vertrauen. Facebook hat sich in der Vergangenheit alles andere als vertrauenswürdig verhalten. Es gilt Facebook genau auf die Finger zu schauen. Auch wenn für viele Nutzer längst gilt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, aber die Abhängigkeit ist am stärksten.
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