Gut und Böse

Warum verschwindet Spam eigentlich nie?

Das ist einfach erklärt. Spam verschwindet nicht, weil die Spammer den Spam-Verhinderern technisch immer einen Schritt voraus sind. Spam verschwindet nicht, weil es spottbillig ist, Millionen von Nachrichten zu verschicken. Und Spam verschwindet nicht, weil es unter einer Million Menschen immer einen Dummen gibt, der einem nigerianischen Buchhalter seine Kontodaten mailt oder in Weissrussland blaue Pillen bestellt. Weil die Aussicht auf mehr Geld und mehr Penis offenbar noch immer zuverlässig die Sinne vernebelt. Darum gibt es Spam auch im Jahre 2010 noch. Und da man nicht einfach alle Männer mit zu kurz geratenem Selbstwertgefühl vom Internet fernhalten kann, wird es Spam vermutlich auch in fünf, zehn und in zwanzig Jahren geben.

Doch ist das schlimm? Mitnichten. Diese digitalen Wurfsendungen sind grosse Unterhaltung. Wir müssen nur zurückdenken, wo Spam seinen Ursprung hat. Der Begriff ist den grössten Humoristen des zwanzigsten Jahrhunderts entliehen, Monty Python. In einem Sketch zelebrieren sie die grosse Errungenschaft der britischen cuisine, den Spiced Ham, oder eben kurz: Spam. 132 Mal kommt das Wort im zweiminütigen Stück vor. Der Zuschauer wird also buchstäblich zugespammt. Und: Er amüsiert sich bestens.

Ich habe Spam über all die Jahre richtig lieb gewonnen. Ehrlich. Sie müssen mehr Spam-Mails lesen. Spam ist eine unterschätzte Kunstform. Deren Reiz darin besteht, dass ihre Erschaffer gar nicht wissen, dass sie Künstler sind. Sie meinen, sie wären Geschäftsleute. Was ja auch stimmt. Als Spammer lebt man angeblich ziemlich gut. Es ist eine Win-win-Situation. Der Spammer macht ein gutes Geschäft, wir erhalten beste Unterhaltung. Gesponsert von den Dummen, die auf die Mails tatsächlich reagieren.

Kurzbefehl von David BauerSie lesen einen Auszug aus dem Buch «Kurzbefehl. Der Kompass für das digitale Leben.» von David Bauer. Sie können das Buch jetzt bestellen, weiterstöbern, diesen Text kommentieren oder selber eine Frage zum digitalen Leben stellen. Ah ja, und via Facebook weiterempfehlen dürfen Sie es auch gerne.

Die Zeiten sind vorbei, in denen Spam ein richtiges Ärgernis war, weil das halbe Postfach damit verstopft war. Die heutigen Filter sorgen dafür, dass wir nicht mehr überschwemmt werden, obschon je nach Schätzungen sieben bis neun von zehn Mails weltweit Spam sind. Überflutet wird man heute viel eher von Mails, die man beantworten muss und die einem Arbeit aufhalsen. Da sind die Spam-Mails, die von Zeit zu Zeit eintrudeln, willkommene Abwechslung. Dada-Pausen. Spam Poetry. Kurzum: Spam sollte stehen für Spiced Art Mail. Und wir sollten lernen, es zu schätzen.

Sie glauben das nicht? Dann stimmen Sie zusammen mit den betrunkenen Wikingern von Monty Python das Spam-Lied an und öffnen Sie Ihren Spam-Ordner. Sie werden das Geschriebe ne mit anderen Augen sehen, wenn Sie mit der Erwartung herangehen, Kunst zu erleben. Nicht jedes Spam-Mail ist Kunst, genauso wie nicht jedes Gekritzel ein Basquiat ist. Aber Sie werden staunen, wie viele kunstvolle Worte da unentdeckt geblieben sind: Aphorismen, Gedichte, Dada-Pointen, alles à discrétion.

Become a real
giant in love
You don’t want
to cast your eyes down
in her bedroom, again
right?


More meat is never excessive

Hello my friend!
Spring has finally come!
Romance is in the air!

Thank God the iron curtain went down
East European girls exposed

If you doubt, ask Google.
All were silent.

Venez ici changer votre vie

I tore her clothes apart
Enhance your wicket reputation
The key to fame and power
Is within your grasp
Get it now

Das Leben ist zu kurz – geniessen Sie das in vollen Zügen.
Das Geld kommt und geht – unvergessliches Sex-Erlebnis bleibt!

If you had a gold fish
you would ask
for a bigger instrument.

You can either make it up or keep it up

Und was kann es am Ende Schöneres geben, als in der Mitteilung, dass Sie bei irgendeiner Lotterie zwei Spamillionen Dollar gewonnen haben, ein lupenreines Haiku zu entdecken?

Confirm you won fund
You get it without paying
Urgent attention

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