Gut und Böse

Leserfrage: Kann man/frau Facebook wie Handy im Unterricht einfach verbieten und in der Schule die gesellschaftlichen Veränderungen ignorieren?


Frage eingereicht von Irène Stalder.

Eine sehr interessante Frage – alleine schon wegen der Art, in der sie gestellt ist, hoch suggestiv. Die Frage tut so, als wäre sie nur eine, wo sie doch zwei Fragen enthält.

Kann die Schule die gesellschaftlichen Veränderungen einfach ignorieren? Natürlich nicht. Kann man/frau Facebook wie Handy im Unterricht einfach verbieten? Durchaus. Denn Facebook und Handy im Unterricht zu verbieten, hat nichts damit zu tun, ob man gesellschaftliche Veränderungen mitmacht oder ignoriert.

Facebook und Handy haben im Unterricht nichts verloren. Genauso wie auch ein Buch im Unterricht nichts verloren hat, wenn es nicht für den Unterricht verwendet wird. Nur weil sie die Gesellschaft verändert und Technologie unseren Alltag zunehmend prägt, heisst das nicht, dass Technik ständig präsent sein muss.

Facebook und Handy im Unterricht: Grundsätzlich „Nein“. Es gibt zwei Ausnahmen. Ein „Kann“ und ein „Muss“.

Facebook und andere soziale Netzwerke (Twitter, Netlog, etc.) können punktuell durchaus gewinnbringend in den Unterricht miteinbezogen werden. Die Schule soll junge Menschen unter anderem ja lehren, wie und wo sie sich selbständig Informationen zu bestimmten Themen beschaffen können. Heute gehört es dazu, dass man dabei online seinen Bekanntenkreis zu Rate zieht. Wenn also die Schülerinnen und Schüler beispielsweise recherchieren sollen, welches die wichtigsten Elemente des politischen Systems der Schweiz sind, sollten sie ihre Freunde bei Facebook um Rat fragen dürfen. Diese Form der Recherche zu beherrschen ist genauso eine wertvolle Fähigkeit, wie zu wissen, wie man in einer Bibliothek Informationen findet.

Teil des Unterrichts müssen Facebook und Co. als Unterrichtsstoff sein. Das digitale Leben stellt uns alle vor grosse Herausforderungen. Zwar sind die heutigen Schülerinnen und Schüler als digital natives den Umgang mit dem Netz gewohnt und bewegen sich ganz ungezwungen in den Weiten des Webs. Doch nur weil sie als Benutzer keine Probleme mit den technischen Möglichkeiten haben, bedeutet das nicht, dass sie als Menschen und Teil der Gesellschaft wissen, worauf zu achten es gilt. Es ist zwingend, dass Medienerziehung zu einem Bestandteil des schulischen Curriculums wird (wie übrigens auch Nico Luchsinger fordert). Das muss nicht im Rahmen eines fixes Unterrichtsfachs geschehen, sinnvoller wäre vermutlich (analog zur Sexualerziehung) ein Blockkurs, der die jungen Menschen für die wichtigsten Themen im Umgang mit dem Internet sensibilisiert (ein passendes Lehrmittel wüsste ich…). Es wäre an den Schulen, hierzu externe Experten beizuziehen, die einerseits die Medienrealität der digital natives verstehen und andererseits eine gesunde Reflexion darüber anzuregen vermögen.

Ein letztes Wort an die Lehrkräfte dieser Erde. Wenn sie einen Schüler erwischen, wie er am Handy rumfummelt, und er als Entschuldigung anführt, er hätte sich nur via Foursquare eingecheckt, lassen Sie gut sein. Vermutlich wollte er Sie nur als Mayor of Matheunterricht beeindrucken.

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Diskussion

  1. 1 Irene Stalder
    24.10.2010, 11:10 Uhr, Link

    Zur Kann-Version:
    Bringen Sie mir bitte den Lernenden (ich arbeite mit Jugendlichen zwischen 16-20 J, deshalb nicht Schüler), der auf Facebook seine Freunde nach den wichtigsten Elementen des politischen Systems Schweiz fragt – natürlich ohne noch 10 Nachrichten zu beantworten und 5 Meldungen zu veröffentlichen.

    Zur Muss-Version:
    Medienerziehung hört sich gut an. Ja, sie wissen als digital natives wie umgehen mit dem Web. Aber wie Sie erwähnen, erachte ich es auch total wichtig, dass ich die jungen Erwachsenen sensibilisiere und zur Reflexion über ihr Verhalten anrege.
    Kann ich Sie als Experten beiziehen?

    Beim Lesen Ihres Buches dachte ich mir ständig, das müssen die Jugendlichen wissen…
    Das Buch sollte Pflichtlektüre für Lehrer/innen sein. Ich versuche auch Werbung dafür zu machen. Bin aber irgendwie schockiert, wie desinteressiert Leute sind.

    Meine Leserfrage ist wahrscheinlich auch suggestiv, weil ich eigentlich 100 Fragen hätte und sehr gerne einen Diskurs „Wie gehen wir mit den neuen technischen Errungenschaften im Unterricht um?“ führen würde.

    Ihr Buch hat mich in eine neue Bewusstseinssphäre katapultiert – und es ist herrlich!


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