Gut und Böse

Ist Google böse?

Don’t be evil. Sei nicht böse. Gutes lässt der inoffizielle Slogan der Firma Google nicht erahnen. Wer sich selber daran erinnern muss, nichts Böses zu tun, der weiss, dass er es könnte. Und spürt die Verlockungen.

Google findet sich bereits in den Erzählungen von J.R.R. Tolkien, die nach dem Zweiten Weltkrieg veröffentlicht wurden. Google ist Sméagol, diese liebenswürdige Kreatur in Herr der Ringe, die gegen ihr böses Alter Ego Gollum ankämpft und im schizophrenen Zwiegespräch verzweifelt nach einer Lösung sucht: Soll ich den Menschen, die mir vertrauen, helfen? Oder soll ich sie täuschen und hintergehen? «Mein Schatz» ist es, der das Böse in Sméagol herauskehrt, die unbändige Gier, diesen Schatz zu besitzen, einen Ring, der kein gewöhnlicher Ring ist, sondern «ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden».

Googles Schatz ist die Information. Alle Information dieser Welt. Das Verlangen danach drückt sich unmissverständlich im ersten Satz des Unternehmensprofils aus. «Das Ziel von Google besteht darin, die auf der Welt vorhandenen Informationen zu organisieren und allgemein zugänglich und nutzbar zu machen.» Aus Information lässt sich Wissen schmieden, Wissen ist der Schlüssel zur Macht. Ein Ring, sie zu knechten.

Zunächst muss gesagt werden, dass Google in den zwölf Jahren seines Bestehens den Menschen auf der ganzen Welt viel Gutes gebracht hat und heute ein tragender Pfeiler der Informationsgesellschaft ist. Ohne die geniale Suchmaschine würden wir viele Informationen nicht finden oder müssten lange nach ihnen suchen. Mit Kalender, Mailprogramm und Textverarbeitung erleichtert uns Google täglich die Arbeit, mit Maps weist uns Google auf der ganzen Welt den Weg. Und das ist nur ein kleiner Teil dessen, was Google anbietet. Alles kostenlos.

All diese Vorteile und Annehmlichkeiten haben ihren Preis. Wir haben zugelassen, dass Google sich als Mittler zwischen uns und die Information geschaltet hat. Und wir haben stillschweigend eingewilligt, dass Google ein sehr scharfes Nutzerprofil von uns erstellt.

Indem Google für uns Informationen zusammensucht, wird die Maschine zum Flaschenhals. Der Algorithmus der Suchmaschine bestimmt darüber, welche Information Gewicht erhält und welche gar nicht in unser Blickfeld kommt. Indem Google unseren Informationszufluss kontrolliert, prägt es unser Weltbild – die Formel, nach der es das tut, bekommt niemand zu sehen. Dass nicht manipuliert wird, müssen wir einfach glauben. Wie manipuliert wird, hat Google in China gezeigt, wo es jahrelang dafür gesorgt hat, dass das Tian’anmen-Massaker keinem Internetnutzer in Erinnerung gerufen wurde. Auch die Suchresultate, die wir sehen, sind nicht frei von Manipulation. In den Bereichen, wo Google selber Inhalte anbietet, etwa Videos oder Ortsinformationen, werden diese von der Suchmaschine gegenüber Konkurrenzangeboten bevorzugt.

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Wann immer wir Google nutzen, füttern wir die Firma mit Informationen über uns und unser Verhalten. Neun Monate lang speichert Google unter der IP -Adresse unseres Rechners, wonach wir suchen, worauf wir klicken, wem wir E-Mails schreiben. Damit verdient Google sein Geld, indem es passgenaue Werbung verkaufen kann. Mit diesen Daten lässt sich aber noch eine Menge mehr anstellen. Was, wenn Google dereinst Ihrem Vermieter meldet, dass Sie verdächtig oft nach Kleinkrediten suchen? Was, wenn Google Sie der Polizei meldet, weil Sie sich regelmässig spätnachts in Hinterhöfen via Handy einloggen? Was, wenn der Google-Algorithmus bei der Krankenkasse Alarm schlägt, weil Ihr gesamtes Nutzungsverhalten darauf hindeutet, dass Sie einen ungesunden Lebensstil pflegen?

Der Preis ist hoch.

Google weist solche Spekulationen weit von sich. Natürlich. Beruhigen sollte uns das nicht. Die Firma hat sich in der Vergangenheit stets am Machbaren orientiert und mit ihrem bisweilen forschen Vorgehen zu verstehen gegeben: Was wir für gut und richtig halten, machen wir auch. Don’t be evil.

Google ist nicht böse. Aber Google ist eine der mächtigsten Firmen der Welt, die in Zukunft noch mächtiger werden wird. Wir wissen nicht, wie die Firma mit ihrer immer weiter wachsenden Verantwortung umgehen wird. Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht, hatte Abraham Lincoln einst gemahnt.

Für Sméagol nimmt die Geschichte ein böses Ende. Die Gier ist stärker als der gute Kern der Kreatur. Die absolute Herrschaft erlangt er aber nicht. Mitsamt dem Ring stürzt er in den Abgrund, in den Feuerschlund des Schwarzen Lands Mordor. Es ist zu hoffen, dass Google sein Verlangen nach dem Ring zügeln kann. Wenn Google mit dem Ring in den Abgrund stützt, reisst es uns alle mit.

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