Stil und Anstand

Machen Gadgets glücklich?

Der Mensch, insbesondere wenn er ein Y-Chromosom sein Eigen nennt, hat eine faszinierende Neigung, ob elektronischer Gerätschaften in Verzückung zu geraten. Einen tiefsitzenden Drang, zu besitzen, was nach Zukunft aussieht. Oder, etwas weniger mitfühlend ausgedrückt: eine ziemlich rätselhafte Zuneigung zu leblosen Objekten mit einem Innenleben aus modernster Technik. Angetrieben wird der Gadget-Ekstatiker von Neugier und Statusangst, beides rationalisiert zum Argument, dass der Besitz des Gadgets für den Alltag nützlich, wenn nicht überlebensnotwendig sei. Unter der Oberfläche, hinter den Augen des Versessenen nur mässig gut versteckt, verbirgt sich die eigentliche Triebfeder seines Handelns: Er ist auf der Suche nach Glück. Sie dürfen jetzt schmunzeln.

Glück ist ein grosses Wort. Es ist durchaus verständlich, dass verschiedene Menschen unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie man es erreicht. Klammert man mal jene aus, die das Glück in Keksen suchen, so bieten sich dem Suchenden fünf Pfade zur Glückseligkeit an. Die Vita activa, das Streben nach Ruhm und Ehre in Amt und Würden. Die Vita contemplativa, die Suche nach geistiger Befriedigung und Erkenntnis. Die Liebe. Religiöse Erfüllung in irgendeiner Form. Und schliesslich die rein hedonistische Genussmaximierung.

Auf welchem dieser fünf Pfade nun wandelt der Gadget-Verrückte? Nicht auf den ersten beiden. Sie sind den Lenkern und Denkern vorbehalten. Stattdessen irrlichtert er zwischen den anderen dreien hin und her. Er streichelt den Touchscreen seines Geräts in nah-erotischer Zuneigung. Er vergöttert den Hersteller und blickt herab auf jene Ungläubigen, die die kosmische Vollendung des Geräts nicht erkennen. Und er weiss, dass teuer gut sein muss und Glück teuer erkauft werden kann. Liebe-Religion-Luxus, die heilige Dreifaltigkeit der Einfältigen.

Und wie sie da so die Pfade entlangtorkeln, erkennen wir sie, die drei Archetypen der technikversessenen Anti-Pragmatiker. Ihnen allen gemein ist, dass sie die Gadgets überhöhen und in ihnen mehr sehen als ein Gerät, das bestimmte Funktionen ausführen kann.

Der Beta-Tester
Er ist vermutlich der Archetyp des Gadget-Verrückten. Er hat das neueste Handy bereits aus den USA importiert, wenn es hierzulande in den Verkauf kommt. Er steht um Mitternacht vor dem Apple-Store an, damit er seinen Kumpels am nächsten Tag erzählen kann, dass er als Erster das neueste iDings hatte. Er ist verblendet genug, um jedes Gerät immer als Erster haben zu wollen; dann wenn es noch am teuersten ist und dazu voller Fehler. In aller Regel hat er einen eigenen Blog und twittert ununterbrochen. Schliesslich muss er – Phase 1 – herumposaunen, dass er «das Ding» schon hat, und – Phase 2 – seine ausgewiesene Expertenmeinung kundtun, wie monumental überlegen sein Ding allem ist, was wir Normalbestückten besitzen. Er geniesst es, wenn er anderen seine neuesten Errungenschaften vorführen kann (gerne auch ungefragt). Noch grössere Befriedigung gibt ihm, wenn er sich mit Gleichgesinnten messen und stundenlang über Produktspezifikationen debattieren kann, in einer digitalen Form des Gruppenwichsens. Nur ein böses Gerücht ist dagegen, dass der Beta-Tester selbst dann «Erster!» ruft, wenn er beim Sex wieder mal zu früh gekommen ist. Er hat nämlich gar keinen Sex.

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Der Connaisseur
Für diesen Typus sind Gadgets Insignien der Klasse. Er zeigt mit ihnen, dass er Stil hat und grossen Wert auf Qualität legt. Es erklärt sich von alleine, dass er gerne zeigt, was er hat. Er tut dies mit einer gewählten Nonchalance, mit der er zum Ausdruck bringt, wie selbstverständlich das alles für ihn ist. Niemals würde er überschwänglich seine neueste Errungenschaft anpreisen. Ob Fernseher, Musikanlage oder innenbeleuchteter Sektkühler – jede Anschaffung ist einer übergeordneten Notwendigkeit geschuldet. Der Connaisseur, der Klasse verpflichtet, muss sich dieses oder jenes leisten, er will nicht. Auch das Lautsprecher-Kabel für 3000 Franken, das musste er kaufen; «Qualität kostet eben.» Ganz in seinem Element ist der Connaisseur, wenn er seine Ode an qualitativ hochwertige, formvollendete Technik singen kann, vorgetragen in distinguierten Worten, da und dort ein technisches Detail eingeflochten. Und während er in höhere Sphären der Glückseligkeit abhebt, bleibt dem Zuhörer das Staunen. Und das Gähnen.

Der urbane Mitläufer
Er besitzt ein iPhone, weil alle eins haben (er begründet stattdessen: «Das Design gefällt mir»). Und einen Mac, weil er kreativ wirken will («Ist intuitiv zu bedienen»). Seinen iPod hat er geschenkt bekommen. Eigentlich könnte der urbane Mitläufer diese ganze Gadget-Sache ganz entspannt sehen, schliesslich interessiert er sich nicht sonderlich für Technik. Er ist aber überzeugt, dass zu seinem Lifestyle die richtigen Gadgets dazugehören. Sie sind technische Accessoires für ihn. Er bemüht sich nicht, Trendsetter zu sein, es reicht ihm, wenn er nicht als Letzter in seinem Umfeld auf den Mainstream-Zug aufspringen muss (mit den Röhrenjeans und den Converse-Schuhen hat er es damals genauso gehalten). Während andere mit ihren Gadgets auffallen wollen, ist ihm das Gegenteil gerade recht. Solange er in der hippen Kaffeelounge mit seinen Gerätschaften genau dem oberen Durchschnitt entspricht, ist er glücklich.

Halten wir fest: Ohne Verblendung dritten Grades ist es nicht möglich, Glück ernsthaft in Gadgets zu suchen. Und jetzt raus damit: Zu welchem der drei Typen gehören Sie?

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