Was muss ich über Facebook wissen?
Neben Google ist Facebook heute wohl der wichtigste Dienst im ganzen Internet. Google ist unser Synonym für das Suchen geworden und bietet eine ganze Palette von Arbeitsinstrumenten an. Facebook ist das Abbild unserer Identität im Netz und der Ort, wo wir mit Freunden und Bekannten online verbunden sind. Wenn wir sagen, dass wir im Netz leben und arbeiten, dann sind Facebook und Google die beiden Ankerpunkte.
Es gibt auf der ganzen Welt nur noch zwei Länder, China und Indien, die mehr Einwohner haben als Facebook. Mit über 500 Millionen aktiven Mitgliedern ist Facebook längst das grösste soziale Netzwerk im Internet. In der Schweiz sind knapp 2,5 Millionen Menschen angemeldet, in Deutschland über 11 Millionen. Island war Anfang 2009 das erste Land, in dem mehr als die Hälfte aller Einwohner ein Facebook-Profil hatte (heute gilt das neben verschiedenen Kleinststaaten auch für Norwegen, Singapur und Hongkong; Kanada, England und die USA dürften die 50-Prozent-Marke bald überschreiten). Auch altersmässig ist Facebook in der Mitte der Gesellschaft angekommen: Das Durchschnittsalter der Nutzer liegt heute bei 38 Jahren.
Die Zahl der Facebook-Verweigerer schrumpft stetig, in Industrieländern ist es in der Altersgruppe zwischen 20 und 29 weniger als einer von zehn. Die meisten davon geben als Grund an, dass sie Facebook für Zeitverschwendung halten, für einen Marktplatz der Eitelkeiten, seltener, dass sie einer Firma nicht so viel Persönliches anvertrauen wollen. Was sie mit vielen angemeldeten Nutzern gemein haben: Sie wissen nicht besonders viel über Facebook. Die einen nutzen es einfach so, die anderen lehnen es einfach so ab. Doch Facebook ist zu wichtig geworden, als dass man einfach darüber hinwegsehen könnte. Wer es nutzt, sollte genau wissen, was er da tut. Wer es nicht nutzt, sollte sich einmal ernsthaft damit auseinandergesetzt haben. Und alle sollten erkennen, welche Tragweite das Phänomen Facebook für das Internet und unsere Gesellschaft hat.
Facebook gehört Russen und Amerikanern, aber einer bestimmt alles.
Hinter Facebook steht die Firma Facebook Inc. mit Sitz in Palo Alto in Kalifornien. Sie gehört zahlreichen Investoren sowie aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern. Grösster Anteilseigner mit 24 Prozent ist der 26-jährige Gründer und CEO, Mark Zuckerberg. Er kontrolliert drei der fünf Verwaltungsratssitze der Firma und hat damit die absolute Kontrolle über Facebook. Zehn Prozent der Firma gehören den kalifornischen Investoren Accel Partners, fünf der russischen Investmentfirma Digital Sky Technologies. Als erster Geldgeber von Facebook hat sich der amerikanische Technologie-Investor und Hedgefund-Manager Peter Thiel 3 Prozent der Firma gesichert; er gilt noch heute als graue Eminenz von Facebook und ist neben dem Berater Marc Andrees sen der wichtigste Einflüsterer von CEO Zuckerberg. Bekanntester Investor ist Software-Riese Microsoft, seit Oktober 2007 mit 1,6 Prozent an Facebook beteiligt.
Facebook ist gekommen, um zu bleiben.
Facebook ist kein kurzfristiges Phänomen. Immer wieder wird zwar darauf verwiesen, wie schnell sich die Masse im Netz bewegt und wie schnell ein beliebter Dienst aus der Gunst der Nutzer fallen kann. Facebook selber, 2004 gegründet, hat innert weniger Jahre die vormaligen Platzhirsche MySpace und Friendster verdrängt. Dass Facebook in naher Zukunft ein ähnliches Schick sal erleidet, ist unwahrscheinlich. Facebook ist viel stärker in die Nutzungsgewohnheiten und das soziale Leben der Menschen eingeflochten als jeder andere Onlinedienst davor. Das Beispiel Google zeigt, dass ein Anbieter im Netz dauerhaft dominant bleiben kann, wenn er zur Selbstverständlichkeit wird. Netzwerkeffekte binden die Nutzer zusätzlich an Facebook: Wer aussteigt, zahlt einen hohen sozialen Zoll. Hinzu kommt, dass Facebook bereits weit mehr ist als ein soziales Netzwerk und sich tief im Ökosystem des Internets verankert hat.
Facebook ist ein Ankerpunkt im Netz.
Facebook spielt im Ökosystem des Internets verschiedene wichtige Rollen. Alle hängen damit zusammen, dass auf Facebook mehr reale Menschen als irgendwo sonst im Netz miteinander interagieren. Facebook nimmt so eine bedeutende Rolle ein, wenn es darum geht, Besucherströme im Netz zu lenken. Indem Facebook-Nutzer Videos teilen, Websites verlinken und sich zu Marken und Produkten bekennen, dirigieren sie ihren Freundeskreis von durchschnittlich 130 Personen durch das Netz. Mit dem Empfehlungsprinzip überlagert Facebook seit April 2010 das gesamte Web. Nutzer können auf allen möglichen Websites Inhalte mit einem «Like» markieren und damit eine Empfehlung abgeben. Auf diese Weise werden Daten für eine menschliche Suchmaschine generiert: Wenn ich nach einem Hotel in New York suche, kann mir Facebook jene bevorzugt anzeigen, welche Freunde von mir mit einem «Like» ausgezeichnet haben. Wenn ich nach Informationen zur Französischen Revolution suche, liefert Facebook jene, die von vielen Nutzern als hilfreich markiert wurden. Eine wichtige Rolle kommt Facebook schliesslich als Identitätskarte im Netz zu. Viele Dienste im Netz ermöglichen ihren Nutzern, sich ohne separate Registrierung mit ihrem Face book-Profil einzuloggen, da dort alle nötigen Daten hinterlegt sind. Bis Facebook damit auch zu einem gängigen Zahlungsmittel im Netz wird, ist nur eine Frage der Zeit.
Facebook wird sehr intensiv genutzt. Wie verrückt, um genau zu sein.
Alle Nutzer zusammen verbringen pro Monat 700 Milliarden Minuten auf Facebook, das sind über 1 Million Jahre. Der Durchschnittsnutzer verbringt jeden Monat gut sechs Stunden mit Facebook. Er veröffentlicht dabei 90 Dinge und verbreitet 60 weiter. Weltweit gibt es nur noch eine Website, die öfter aufgerufen wird als Facebook, das ist Google. Und keine, auf der die Menschen mehr Zeit verbringen.
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Facebook-Nutzer sind nicht eitel. Aber mitteilungsbedürftig.
Wer sich bei Facebook anmeldet und nicht vorhat, dort eine Existenz als Karteileiche zu fristen, sollte gewillt sein, sich an dieser neuen Form von Austausch zu beteiligen. Es bringt wenig, selbstgefällige Statusmeldungen zu schreiben und mit Fotos die eigene Coolness zu zelebrieren. Die Zeit ist vorbei, als Online-Communities vom eigentlichen Leben losgekoppelte Spielwiesen für Alter Egos waren (Siehe: «Was macht die Technologie mit unserer Identität?»). Facebook ist das eigentliche Leben, einfach um die virtuelle Dimension erweitert. Wenn wir auf Facebook eitel erscheinen, dann liegt das daran, dass der Mensch an sich eitel ist. In der geballten und letztlich trotz allem noch ungewohnten Form auf Facebook fällt es einfach etwas mehr auf. In ein paar Jahren wird man dieses Verhalten nicht mehr als Eitelkeit bezeichnen, sondern als Offenheit. Wobei ein bisschen Eitelkeit nicht schadet. Etwa bei der Wahl des eigenen Profilbilds. Denken Sie daran, dass Ihre Freunde Sie um ein Vielfaches öfter auf Facebook sehen als in echt. Dieses Foto prägt das Bild, das andere von Ihnen haben, mehr, als Sie wollen.
Facebook ist ein sozialer Nachrichtenradar.
Per Algorithmus stellt uns Facebook ein Bulletin zusammen, in dem es uns auf dem Laufenden hält, was unsere Freunde tun und was sie umtreibt. Es bietet uns jene Art von Neuigkeiten, die uns interessieren, die aber kein Nachrichtenmedium bieten kann: Neuigkeiten aus unserem persönlichen Umfeld. Ich muss nicht danach fragen, muss nicht darauf antworten, ich bekomme alles en passant mit. Wenn mich etwas näher interessiert, kann ich darauf reagieren – mit einem «Like», einem Kommentar oder indem ich die Person direkt darauf anspreche, wenn wir uns das nächste Mal sehen. Auch die weite Welt findet in diesem persönlichen Nachrichtenstrom statt. Nach dem alten Prinzip «Hast du schon gehört?» werde ich von Freunden auf Wissenswertes von nah und fern hingewiesen. Wenn Sie den Newsfeed von Facebook dann noch um jene Personen bereinigen, die selten Interessantes von sich geben (indem Sie auf «Verbergen» klicken), erhalten Sie ein Nachrichtenprogramm, das ausgezeichnet unterhält und informiert. Und in das Sie sich jederzeit selber einklinken können.
Statusmeldungen sind keine Selbstgespräche.
Geht es nach Facebook, soll die Statusmeldung die Frage «Was machst du gerade?» beantworten. Das ist freilich selten interessant (in der englischen Version wird immerhin nach «What’s on your mind?» gefragt). In eine Statusmeldung gehört nur, was potenziell für andere interessant ist: Hinweise auf Fundstücke im Netz, wertvolle Tipps und Informationen, witzige Anekdoten und pointierte Kommentare zur Welt im Grossen und Kleinen. Nutzen Sie auch die Möglichkeit, einzelne Statusmeldungen nur einem Teil Ihrer Freunde zu schicken. Stellen Sie sich beim Schreiben immer vor, Sie stünden vor alle Ihre Freunde und Bekannte hin und würden genau das sagen. Das bewahrt Sie nicht nur davor, Langweiliges und Belangloses von sich zu geben, sondern verhindert peinliche Kurzschlüsse.
Privatsphäre bedeutet kritische Reflexion.
Privatsphäre bedeutet nicht, dass man nichts von sich preisgibt. Facebook bietet Ihnen alle Möglichkeiten, sich zum gläsernen Menschen zu machen. Sie können anzügliche Ferienfotos veröffentlichen, Ihre Handynummer, Ihren Beziehungsstatus. Sie können Ihre politischen und religiösen Ansichten öffentlich machen, Ihre Vorliebe für Arztromane und Vampirfilme und Sie können via Statusmeldungen den täglichen Seelenstriptease praktizieren. Das kann alles seinen Sinn haben und Ihnen in irgendeiner Form weiterhelfen. Überlegen Sie sich aber bei jeder Information, die Sie auf Facebook deponieren, welchen Nutzen Sie effektiv davon haben, und kontrollieren Sie über die Privatsphäre-Einstellungen, wer was zu sehen bekommt und was Facebook damit anstellen darf. (Siehe: «Was weiss Facebook über uns?»)
Der Freundeskreis auf Facebook will gut kuratiert sein.
Seien Sie selektiv bei der Auswahl Ihrer Facebook-Freunde. Nicht jeder, dem Sie mal virtuell oder sonstwie über den Weg gelaufen sind, muss Aufnahme finden in Ihren virtuellen Freundeskreis. Dafür gibt es E-Mail. Nutzen Sie ausserdem die Möglichkeit, Ihre Kontakte in verschiedene Listen zu gruppieren. So können Sie Sachen auf Facebook veröffentlichen, die aber nur ein Teil Ihrer Kontakte zu sehen bekommt. Entscheidend ist schliesslich, dass Sie Ihre Kontaktliste regelmässig kuratieren. Nur so behalten Sie den Überblick, wer gerade wie intensiv an Ihrem Leben teilhaben darf. Verschieben Sie bei Bedarf Leute in andere Listen oder verbannen Sie sie ganz aus Ihrem Facebook-Freundeskreis. Aber Achtung: Letzteres wird mitunter als drastischer Schritt wahrgenommen. Werfen Sie niemanden raus, dem Sie nicht erklären könnten, warum.
Facebook verdient kein Geld. Noch nicht.
Im September 2009 konnte die Firma bekannt geben, dass sie erstmals gleich viel einnimmt wie ausgibt. Als nichtöffentliche Firma muss Facebook keine Geschäftszahlen veröffentlichen, es existieren deshalb nur Schätzungen darüber, wie viel Geld Facebook einnimmt. Gemäss dem Wirtschaftsjournalisten David Kirkpatrick, dem vielleicht bestinformierten Facebook-Experten, hat die Firma 2009 rund 500 Millionen Dollar umgesetzt, 2010 sollen es 800 Millionen sein, andere Experten rechnen mit bis zu einer Milliarde (zum Vergleich: Google nahm 2009 rund 24 Milliarden ein, Nestlé rund 108 Milliarden). Über vier Fünftel seiner Einnahmen erzielt Facebook mit Werbeeinblendungen auf den Nutzerprofilen. Einen kleinen, aber wachsenden Anteil trägt der Verkauf von virtuellen Gütern bei. Aufgrund seiner riesigen Nutzerschaft und einer Datensammlung, die ihresgleichen sucht, wird Facebook zugetraut, in Zukunft deutlich mehr Geld zu verdienen. Das hoffen nicht zuletzt die verschiedenen Investoren, die zusammen bisher über 830 Millionen Dollar in Facebook gesteckt und die Firma dabei mit bis zu 15 Milliarden bewertet haben.
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