Rat und Tat

Wie bewältige ich eine Hotline?

Guten Tag, willkommen in der Hotline-Hotline. Zurzeit sind leider alle unsere Mitarbeiter besetzt. Bitte haben Sie einen Moment Geduld und wundern Sie sich nicht, wenn dieser Moment eine gefühlte Ewigkeit dauert. Ihr Anruf ist uns wichtig, schliesslich kassieren wir dafür ordentlich ab. Dieses Gespräch kann zu Schulungszwecken aufgezeichnet werden. Wenn Sie mehr über unser Angebot erfahren wollen, drücken Sie die Taste 1. Sie können dann zu vergünstigten Preisen unsere überteuerten Produkte kaufen, damit Sie in Zukunft noch mehr Gründe haben, unsere Hotline zu wählen. Wenn Sie bereits genervt sind und jetzt sofort mit einem unserer kompetenten Mitarbeiter sprechen wollen, drücken Sie die Taste 2. Wiederholen Sie diesen Vorgang, bis am anderen Ende jemand abnimmt. Wenn Sie einfach etwas Fahrstuhlmusik hören wollen, lehnen Sie sich zurück. Da sind Sie bei uns genau richtig. Guten Tag, willkommen in der Hotline-Hotline. Zur Zeit sind leider alle unsere Mitarbeiter besetzt. Ah, haben wir das schon gesagt? Dann drücken Sie jetzt Taste 2.

Man müsste sie erfinden, die Hotline-Hotline, die Hotline-Geschädigten hilft, eine Hotline um Hilfe zu fragen. Wie jede andere Hotline würde sie Zeit, Nerven und 1.50 Franken pro Minute kosten. Und derjenige, der sie erfunden hat, würde jeden Morgen und jeden Abend schallend lachen über die teuflische Genialität seiner Idee, die sich von alleine in alle Ewigkeit neue Kunden zuführt.

Die Hotline, sie ist der gordische Knoten der telekommunikativen Gesellschaft, die letzte grosse Herausforderung der Postmoderne, der direkte heisse Draht zur Vorhölle. Und sollte irgendwann irgendjemand tatsächlich eine Lösung für die ganze Misere gefunden haben – ja dann ist sie vermutlich verdammt nochmal ausgerechnet dieses eine Mal nicht zu Schulungszwecken aufgezeichnet worden.

Eine Lösung für alle Hotline-Probleme kann ich leider nicht bieten (hätte ich eine, so würde ich eine Hotline-Hotline eröffnen und damit viel Geld verdienen). Linderung aber, das liegt drin.

Regel Nummer 1 des Hotline-Fight-Clubs lautet: Ruf nicht an! Frage im Bekanntenkreis, ob jemand weiterhelfen kann.
Regel Nummer 2 des Hotline-Fight-Clubs lautet: Ruf nicht an! Schaue im Netz, ob du eine Lösung findest.
Führt tatsächlich kein Weg an der Hotline vorbei, gilt Regel Nummer 3, die da lautet: Float like a butterfly, sting like a bee! Entscheidend ist die richtige Vorbereitung. Nie unter Zeitdruck anrufen, weil es immer länger dauert als erwartet und weil ein abgebrochenes Hotline-Gespräch fast immer bedeutet, dass man beim nächsten Mal von vorne beginnen muss. Immer abklären, wie viel die Hotline kostet. Alle Unterlagen zur Hand haben, die irgendwann gefragt sein könnten, ebenso einen Stift und ein Blatt Papier, damit Sie Notizen machen und sich mit Kritzeleien selber beruhigen können. Rufen Sie in Randzeiten an, idealerweise am Morgen, da sind die Leitungen nicht so verstopft und die Mitarbeiter noch unverbraucht.

Kurzbefehl von David BauerSie lesen einen Auszug aus dem Buch «Kurzbefehl – Der Kompass für das digitale Leben.» von David Bauer. Sie können das Buch jetzt bestellen, weiterstöbern, diesen Text kommentieren oder selber eine Frage zum digitalen Leben stellen. Ah ja, und via Facebook weiterempfehlen dürfen Sie es auch gerne.

Bevor Sie nun den Hörer zur Hand nehmen, suchen Sie sich eine Beschäftigung, die Sie nebenher tun können, während Sie in der Warteschlaufe hängen. Hemden bügeln, Küche aufräumen, so was halt. Wichtig ist, dass Sie nicht ungeduldig und genervt werden während des Wartens. Float like a butterfly, zustechen kommt später. Werden Sie schliesslich verbunden, atmen Sie durch und denken daran: Die Person am anderen Ende ist auch nur ein Mensch. Der nicht schuld ist an Ihrem Problem und auch nichts dafür kann, wenn er es nicht lösen kann. Er ist einfach das arme Schwein, das den Kopf hinhalten muss. Sprechen Sie freundlich und sagen Sie klar, was Ihr Problem ist und was Sie wollen. Je nach Gesprächspartner und Problemlage folgt jetzt eine mittellange bis sehr lange Geduldsprobe.

Ist die Lösung in Griffnähe, schlagen Sie zu. Sting like a bee! Versprechen und vage Zusagen nehmen Sie nicht hin. Bestehen Sie auf verbindliche Informationen, auf die Sie sich wenn nötig berufen können. An dieser Stelle ist sanfter Druck gefordert, freundlich, aber bestimmt. Haben Sie, was Sie wollten, fragen Sie, wie Sie auf dieses Gespräch Bezug nehmen können, falls Sie nochmals anrufen müssen (Sie müssen). Lächeln Sie und wünschen Sie dem Hotline-Mitarbeiter einen schönen Tag. Fluchen können Sie, sobald Sie aufgelegt haben.

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