Wie telefoniere ich in der Öffentlichkeit?
Gut, dass Sie fragen. Darüber müssen wir mal ein ernstes Wort reden. Es ist eine Zumutung, wie viele Menschen das öffentliche Telefonieren nicht beherrschen. Die einzige noch grössere Zumutung ist, dass genau jene es am exzessivsten tun. Als würden alle, die nicht fliegen können, als Piloten arbeiten.
Merken Sie sich die wirklich sehr einfache Regel: Sie können am Handy über alles sprechen, bloss nicht über eine Minute. Was Sie nicht in einer Minute mit Ihrem Gesprächspartner bereden können, gehört nicht in die Öffentlichkeit. Die Kürze zwingt Sie dazu, sich auf das Wesentliche zu beschränken und sachlich zu bleiben. Sie ersparen so Ihren Mitmenschen all jene Abgründe, die sich auftun, wenn zwei Menschen länger miteinander sprechen.
Niemand will hören, wie Sie mit Ihrem Partner darüber streiten, wer schuld war am letzten Streit. Niemand will hören, wie Sie Ihrer besten Freundin Ihre Bindungsängste und Ihre notorischen Fehlgriffe bei der Sexualpartnerwahl klagen. Niemand will hören, wie Sie Ihren Mitarbeiter zusammenstauchen, was er sich eigentlich dabei gedacht habe und warum er nicht längst blablabla. Niemand will hören, wie clever Sie Ihre Put-Optionen gecasht haben und welche Win-win-Deals Sie in der Pipeline haben. Es will auch ganz bestimmt niemand hören, wie Sie Ihrem Schatzi Ihren ganzen langweiligen Tag nacherzählen. Wahrscheinlich interessiert es nicht mal das Schatzi.
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Würden sich alle an die 1-Minute-Regel halten, die Welt wäre eine bessere. Natürlich gibt es immer noch Menschen, die es sogar in einer halben Minute schaffen, sich am Telefon bis aufs Herz auszuziehen oder jemand anderen verbal auf die Grösse einer SIM-Karte zusammenzustauchen. Wer dieses Talent hat, der soll es ausleben dürfen. Eine Minute lang lässt sich alles aushalten.
Aus dem gleichen Grund können Sie von mir aus auch durch die Stadt schlendernd eine halbe Stunde lang telefonische Therapiesitzungen abhalten und selbstherrliche Monologe veranstalten. Niemand muss dann mehr als ein paar Wortfetzen von Ihnen ertragen.
Brechen Sie die 1-Minute-Regel aber an einem Ort, an dem dieselben Leute dauernd zuhören müssen, im Zug, im Café, am Arbeitsplatz, dann sind Sie nicht weniger als der nervigste Mensch der Welt. Mögen die Blicke Sie töten.
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